Langzeitarbeitslose sollen Demenzkranke betreuen

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18 Aug. 2008 14:39 #4388 von stefan
In der letzten Zeit waren alle Nachrichtenmagazine voll damit: Langzeitarbeitslose sollen nach einer Schulung von 160 Stunden die "soziale Betreuung" von Menschen mit Demenz in Pflegeheimen übernehmen. Dazu gab es viele negative Kritik u. a. von Claus Fussek ("man kann nicht jeden in so einen Beruf schicken"). Ich wollte hier mal eine Diskussion darüber eröffnen. Werden damit die Profis nicht gering eingeschätzt, wenn man der Meinung ist, dass nach einer vierwöchigen Schulung der Umgang mit demenzkranken Menschen auch vernünftig ablaufen wird? Eine deutliche Meinung zu diesem Thema findet ihr hier: www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28545/1.html
???

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18 Aug. 2008 16:21 #4393 von majati
Grundsätzlich ist die Idee, Langzeitarbeitsose wieder zu integrieren- noch dazu in ein soziales Genre- zu begrüßen.

Aber erstens steckt ja schon im Begriff "langzeitarbeitslos" ein gewisses Stigma.

Zweitens kann ich nicht nachvollziehen, wieso man davon ausgeht, dass alle diese Betroffenen definitiv für den Demenzbereich geeignet sind.

Drittens sehe ich hier eindeutig auch unsere therapeutischen Felle davonschwimmen, zumal mit dieser Einstufung der Begriff Therapie erneut degradiert wird, da ja viele Bereiche  dann "von den Betreuungspersonen übernommen werden können".

Viertens stelle ich mir die Frage, wieso ich Fortbildungen im Demenzbereich belege ( und teilweise selbst bezahle!), um optimal für die Patienten sorgen zu können, wenn dies offensichtlich gar nicht vonnöten ist, da ja "Jeder" die Arbeit ohne spezifische Ausbildung machen kann.

Fünftens halte ich die Gratwanderung zwischen Pflege und Therapie schon für genug "spannungsgeladen", nun gesellt sich mit der vorgeschlagenen Neuerung ein weiterer Kandidat dazwischen....

Mir ist eindeutig unwohl bei der ganzen Geschichte...!

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19 Aug. 2008 11:34 #4419 von stefan
Zu dieem Thema empfehle ich auch die Diskussion im Pflegenetz-Forum:
forum.pflegenetz.net/showthread.php?t=12360

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  • Nadja Busch
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19 Aug. 2008 12:28 #4423 von Nadja Busch
Liebe Ergos,
nicht nur die Pflegekräfte regt es auf!

Was soll ich erst sagen... Ich bin seit dem 01.08. arbeitslos und möchte wider in genau den Bereich. Und nun...

Ne Kurzqualifikation und "Freude" an der Arbeit reichen also schon damit die sagen können danke für ihre Bewerbung aber die vielen Qualifikationen nützen Ihnen auch nicht mehr. Und die vom Amt sagen, sie sind so gut Qualifiziert da muss sich doch was in dem Bereich finden lassen - super motivierend!

Da kann ich gleich berufsfremd arbeiten gehen.

Denn Stellen in der sozialen Betreuung gibt es hier (Ostfriesland) nicht mehr. Zumindest sind mir keine Stellen bekannt.  Hier gibt es nur Stellen für Pflegekräfte. Und wenn das Amt/der MDK dann die Betreuung bezahlt stellen die die Hilfskräfte ein. Na denn mal auf eine lange Arbeitlslosenzeit! Oder auf eine neue Ausbildung! Mit Hobby: Ergotherapie bei Demenz...

Liebe Grüße sendet
Nadja

"Damit das Mögliche entsteht,
muss das Unmögliche versucht werden."
                                          (Hermann Hesse)

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  • Johanna Radenbach
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19 Aug. 2008 12:45 #4424 von Johanna Radenbach
Johanna Radenbach antwortete auf Langzeitarbeitslose sollen Demenzkranke betreuen
Ich finde das auch sehr erschreckend! Je mehr ich mich mit dem Thema befasse, desto stärker rege ich mich darüber auf.

Es geht wirklich vorwiegend um die Betreuung der Demenzkranken und nicht um Pflegen. Bei mir lässt es sich teilweise nicht umgehen (so geht es bestimmt auch vielen anderen), dass ich trotz Therapeutenstatus betreue (zum Beispiel bei Personalengpässen Essen anreichen). Und das mit einem Bachelorabschluss und nicht mit einer 4-monatigen-Weiterbildung...

majati schrieb: Drittens sehe ich hier eindeutig auch unsere therapeutischen Felle davonschwimmen, zumal mit dieser Einstufung der Begriff Therapie erneut degradiert wird, da ja viele Bereiche  dann "von den Betreuungspersonen übernommen werden können".


Das kann ich hundertprozentig so bestätigen.

Gruß, Johanna

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19 Aug. 2008 16:31 #4425 von Sophia65
Mich macht dieser Aktionismus einfach nur wütend!!!
Wir müssen uns - gemeinsam mit der Pflege und den Alzheimer Gruppen- gegen derartige Vorschläge wehren.
Wenn diese Langzeitsarbeitslosen bereits so qualifiziert sind und gute Vorraussetzungen besitzen, dann bitte eine Umschulung zur Ergotherapeutin, Physiotherapeutin oder Altenpflegerin!
Meine Ausbildung zur Ergotheraputin finanziere ich selbst. Nach der Ausbildung zur Altenpflegerin! Der Staat gibt mir nichts dazu! Warum mache ich das eigentlich??? Wenn ein 6- Wochen Kurs reicht? Warum tue ich mir diesen Stress an???
Sophia  

Glück ist nicht in einem ewig lachenden Himmel zu suchen, sondern in ganz feinen Kleinigkeiten, aus denen wir unser Leben zurechtzimmern.
Carmen Sylva,Schriftstellerin

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19 Aug. 2008 18:15 #4427 von Mandy1903
Hallo
wir haben jetzt gerade die Unterlagen ausfüllen müssen, damit wir eine neue Betreuungsperson bekommen. Da heißt es Akten durchgehen, und Papier für Papier ausfüllen. So wie dei Medien es sagen im September solls losgehen ist doch totaler quatsch, ehe das von den Pflegekassen kontrolliert ist und und und dauert das mindestens noch bis ende des Jahres. Bei den Unterlagen ist es auch total sinnlos, weil manche Dinge gar nicht zählen, die den Bewohner so auffällig machen. Ich finde das wieder ein Verrücktmachen der Bevölkerung, weil dann kommt ja ihr könntet doch noch jemanden haben.
Könnt mich permanent aufregen.
Liebe Grüße Mandy

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19 Aug. 2008 20:17 #4429 von stefan
Der Kurs dauert anscheinend nur einen Monat (100 Std. Theorie u. 60 Std. Praxis). Das alles und einige Reaktionen findet ihr für heute zusammengefaßt hier: www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,573107,00.html
(Schon verräterisch, dass das bei spiegel-online unter "Wirtschaft" steht. Es geht also um Wirtschaft(lichkeit) u. nicht etwa um Gesundheit oder Soziales)
>:(

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19 Aug. 2008 22:06 #4431 von violet
Da ich selbst schon als 1€-Jobber unter der Bezeichnung "Sozialhelferin" gearbeitet habe (ich habe da alte Menschen daheim besucht und unterhalten), muss ich mich für die Idee an sich positiv aussprechen. Auch ich habe so eben wieder den Einstieg ins Berufsleben gefunden, allerdings ist der (gar nich so) kleine Unterschied der, das ich eine Ausbildung als Ergotherapeutin hinter mir habe und mir dieser Job auch entsprechend von Nutzem war (Erfahrungssammlung). Berufsfremde Arbeitslose in einen solch schweren Bereich zu drängeln finde ich für eben diese und die Bewohner fürchterlich! Jemand der nicht weiß was bei dementen Menschen zu beachten ist kann mehr Unruhe stiften als Freude und Ruhe schenken.
Schön wäre es, wenn eben wirklich Arbeitslose eingesetzt würden, die in dem Bereich eine Ausbildung hatten und nur durch diverse Umstände keinen Arbeitsplatz finden, aber dem Staat geht es ja nur darum die Arbeitslosenzahlen zu beschönigen und die Leute mal ein Jahr lang nicht jeden Monat am Schreibtisch sitzen zu haben.
Ein wenig undurchdacht finde ich solche Projekte (egal ob mit Ausgebildeten oder Laien besetzt) wenn es auf das Ende zugeht. Mein Klientel war, nachdem mein Jahr abgeschlossen war sehr traurig, teilweise fielen sie sogar in depressive Verhaltensmuster zurück, weil sich vorher niemand Gedanken darüber macht, das so ein täglicher Besucher schnell eine wichtige Bezugsperson wird, die dann nach 12 Monaten plötzlich verschwindet und oftmals nicht wieder auftaucht. Die festgelegten Aufgaben werden ja auch nur selten eingehalten, ich musste derzeit auch vieles machen was mir laut Vertrag untersagt wurde, was dann aber an anderer Stelle wieder angekreidet wurde wenn es dann nicht so geschah, wie das pflegende Personal es sich gewünscht hätte und und und...ohne lückenlose Kontrolle funktioniert es sowieso nicht wie auf dem Papier vorgegeben und Laien werden diese Arbeit wohl ohnehin nicht allzulange durchhalten, mir kamen schon in den ersten 2 Wochen die Hälfte der Kollegen abhanden weil sie "sich das nicht anschauen konnten". Ich denke diese Reaktion ist mit einkalkuliert, weil dies Gründe sind das Arbeitslosengeld zu kürzen, im Endeffekt geht es tatsächlich nur um die Wirtschaft und nicht um die Gesundheit und das Befinden der alten Menschen.

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20 Aug. 2008 15:12 #4433 von merle
Guten Tag,

nach sehr langer Familienphase (4 Kinder) suchte ich vor einiger Zeit eine Möglichkeit in den Beruf zurück zu kehren bzw. eine sinnvolle Tätigkeit aufzunehmen. Ich meldete mich auch bei der Agentur für Arbeit als Arbeitssuchende (ohne Leistungsbezüge). Man schickte mich auf eine "Ausbildungsmesse". Dort wurde von der F+U Heidelberg der Kurs als "Alltagsbegleiter/in für demente alte Menschen" angeboten. Mein Vater ist an Alzheimer-Demenz erkrankt (ich kannte die Nöte, die daraus entstehen) und somit entschied ich mich sofort für diese Fortbildungsmaßnahme. Mit Begeisterung und auch großem Lerneifer (so kam ich unter anderem auch auf diese Internetseite) beendete ich diese Weiterbildung (600 Stunden Theorie/ 160 Stunden Praktikum) nun vor kurzem mit sehr guten Leistungen (Zertifikat). Man hatte den Teilnehmern ja große Hoffnung gemacht auf eine Anstellung nach erfolgreichen Abschluss, auch in Hinblick auf die Neuerungen im Pflegegesetz. Doch was für ein Bild wird jetzt auf diese Fortbildung geworfen......... ach, da kommt eine von den Langzeitarbeitslosen.........na, prima!
Ich möchte nicht falsch verstanden werden in Hinblick auf die Ausbildung eines Ergotherapeuten. Es ist mir schon sehr klar, dass diese kurze Zeit meiner Weiterbildung längst nicht ausreicht um zu therapieren. Aber ich hatte Zeit, Geduld und Einfühlungsvermögen (z.B. bei der Essensbegleitung). Doch das schlechte Licht, dass im Moment auf meine Fortbildungsmaßnahme geworfen wird, stört mich doch sehr......das, mit Fleiß erworbene, Zertifikat ist für mich nicht mehr wert als das Papier auf dem es gedruckt wurde.

Merle

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