Therapeuten und Pflegekräfte kennen die Situation: Alle Varianten der Kurzaktivierung haben sie schon so oft durchgeführt, dass eine Abwechselung her muss. Ansonsten erahnen manche Teilnehmer schon, welche Übungen auf sie zukommen. Der zweite Teil der Aktivierungskarten von Andrea Friese und Ellen Prang soll das Repertoire erweitern.
Entstehungsgeschichte
Wie der Vorgänger "Aktivierungskarten für die Kitteltasche" beruhen die neuen Karten auf den Erfahrungen von Andrea Friese. Sie wurden von ihr im Alten- und Pflegeheim entwickelt und spiegeln einen Teil der Aktivierungsmöglichkeiten in stationären Einrichtungen wider. Erschienen sind die neuen Karten im Vincentz-Verlag unter dem Titel "Aktivierungskarten für die Kitteltasche 2 - die besten Ideen für das kurze Gedächtnistraining".
Gedächtnistraining für jede Gelegenheit
Was ist das Neue an den Aktivierungskarten? Sind sie eigenständig einsetzbar oder nur eine Erweiterung der ersten Ausgabe? Die 26 neuen Aktivierungskarten erinnern an ein klassisches Kartenspiel. Wie gewohnt kommen die Gedächtnistrainingsaufgaben prägnant und verständlich formuliert daher. Neu sind die Übungsvarianten, die unter anderem durch die beigefügten Zahlen- und Farbkarten entstehen. Allein hierdurch ergeben sich völlig neue Einsatzvarianten. So enthält der Kartensatz neue Übungsideen und Klassiker, die sich hinter verschiedenen Übungsnamen verbergen: "Die heitere Speisekarte", "Land und Leute" und "Ja-Nein" stehen auf dem Aktivierungsprogramm. Hinter dem Spiel "Ja-Nein" etwa verbirgt sich eine Wortliste, bei denen die Teilnehmer die Gegensätze der Begriffe nennen sollen.
Die Karten helfen ehrenamtlichen Mitarbeitern, Pflegekräften und Ergotherapeuten, Lücken von fünf bis 15 Minuten mit einer minimalen Vor- und Nachbereitungszeit zu füllen. Dank der vielen Varianten und der beigefügten Lösungsbeispiele mit Anregungen zum Weiterdenken kommt bei wortgewandten Teilnehmern keine Langeweile auf.
Das handliche Format erlaubt es den Mitarbeitern, den Kartensatz im ganzen Haus einzusetzen und auf Hausbesuche mitzunehmen. Die Schachtel birgt zudem eine Überblickskarte, mit der sich einzelne Übungen schnell wiederfinden lassen. Ein Beipackzettel informiert die Anwender über die Handhabung und die Zielgruppe des Produkts. Die "Aktivierungskarten für die Kitteltasche 2" lassen sich völlig unabhängig von ihrer Vorgänger-Ausgabe und zugleich als deren Erweiterung einsetzen.
Erfahrungen in der Praxis
Erprobt hat die Karten ein ehrenamtlicher Betreuer in einem Alten- und Pflegeheim in einer Gruppe von acht Teilnehmern. Ihm lagen keine Angaben über Diagnosen und Alter der Teilnehmer vor. Anhand gezielter Beobachtungen war der Leistungsstand der Gruppe von leichten kognitiven Einschränkungen bis hin zu deutlichen demenziellen Veränderungen einzuordnen. Um außerdem eine Aussage über die Tauglichkeit für die Einzelförderung bei leichter und mittelschwerer Demenz treffen zu können, haben weitere Betreuer die Karten während der psychisch-funktionellen Behandlung zweier Patienten erprobt.
Wie erwartet sanken die Einsatzmöglichkeiten mit zunehmenden Wortfindungsstörungen des Klienten. Der Betreuer beginnt die Aktivierung auf eine der folgenden Weisen:
- Er sucht eine Übungskarte heraus, die für die betreffende Zielgruppe geeignet ist.
- Er lässt einen Teilnehmer in der Runde eine Spielkarte ziehen.
- Er wählt einige geeignete Übungskarten aus, die den kognitiven Fähigkeiten der Gruppe oder der Person entsprechen, und lässt daraus eine Karte ziehen.
Wie bereits im Testbericht der ersten Ausgabe bewährte sich wieder die dritte Variante. Sie ist gut geeignet, da sie Spielern das Gefühl ermöglicht, an der Auswahl der Übungen beteiligt zu sein. Gleichzeitig passen die Übungen zu ihren Fähigkeiten.
Lachen gehört zum Programm
Nicht nur durch die Gruppendynamik, sondern auch durch die Aufgabenstellung ist Schmunzeln vorprogrammiert. "Tante Sofie aus Sofia" etwa erwies sich als ein nettes und kognitiv sehr anstrengendes Fragespiel, bei dem die Teilnehmer stets gegenteilig antworten sollten: Aus einem Ja wird ein Nein und umgekehrt. Allein die wahrheitsgemäße Antwort auf einfache biografische Fragen sorgt schnell für Lacher. Auch kommt der Spaß in der Einzelförderung nicht zu kurz. Denn so bereitet selbst das gemeinsame Aufsagen von Zungenbrechern, das sogar bei einer mittelschweren Demenz möglich ist, viel Freude.
Fazit
Trotz der unter Ergotherapeuten schon bekannten Übungen ist der neue Kartensatz ein hervorragendes Therapiemedium, dessen Zielgruppenbestimmung vollauf zutrifft. Die demenziell erkrankten Menschen nehmen die einfachen Übungen als gelungene Aktivierung und Abwechselung an. Wünschenswert wäre eine Kennzeichnung der Übungen nach Schwierigkeitsgraden auf der Überblickskarte oder der jeweiligen Übungskarte. Dies könnte die ohnehin geringen Vorbereitungszeiten noch weiter kürzen. Besonders positiv fällt auf, dass einige Übungen neben der Kognition auch die Motorik fördern durch die beigefügten Zahlen- und Farbkarten.
Leider fehlt weiterhin die Zuordnung der Karten zu einzelnen Förderarten und Therapiezielen. Für ausgebildete Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen stellt das aber kein Problem dar. Des Weiteren fehlen Hinweise zur Eignung einzelner Übungen bei bestimmten Graden von Demenz. Ergotherapeuten sind durch ihr Fachwissen in der Lage, die Karten zielgruppengerecht einzusetzen. Ungeschulte Mitarbeiter fühlen sich in der Praxis jedoch manchmal unsicher. Eine Kennzeichnung der Karten nach Schwierigkeitsgraden kombiniert mit einer Kurzeinführung in die Grundregeln des Umgangs mit Demenzkranken könnte Abhilfe schaffen.
Nicht nur das handliche Format macht die "Aktivierungskarten für die Kitteltasche 2" in jedem Fall zu einem guten Begleiter für Therapeuten und Pflegekräfte im geriatrischen Bereich. Außerdem stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis.
Friese, Andrea; Prang, Ellen (2008): Aktivierungskarten für die Kitteltasche 2. Die besten Ideen für das kurze Gedächtnistraining. Hannover: Vincentz Network. 10,80 Euro.