ergotherapeutische Befunderhebung bei Demenzerkrankten

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10 Apr. 2008 21:15 - 07 Jan. 2015 22:24 #3419 von kinava
habe mal aus diesem thema eine frage von gugs genommen und ein neues daraus eröffnet  ;)

gugs schrieb: Hallo, Ihr,
in diesem Zusammenhang habe ich die Frage an Euch, wer macht eigentlich bei dementiell erkrankten Menschen eine ergotherapeutische Befunderhebung? Es geht hier nicht um Tests, die zur Diagnostik herangezogen werden, sondern um eine Befundung, wie wir das auch bei anderen Krankheitsbildern durchführen, um Ziele anstreben zu können. Habt Ihr Euch darüber schon einmal Gedanken gemacht?
Gugs


hi gugs,

ich mache eine befunderhebung nach besten wissen und gewissen, einschliesslich zielbenennung

einen ausschnitt davon kannst du an folgenden drei stellen im forum finden
Agnosie, Apraxie, Auffassungsstörung
Perseveration, Konfabulation, Paramnesie/Wahnerinnerung
Zwangshandlungen, Autostimulation, Stereotypien

meinst du die art der befunderhebung?

z.B. ziele von fr. z. sind (unterscheide dabei nicht nach reha-, richt- oder grobzielen):
  • Erhalt der Lebensfreude und Lebensqualität
  • Zeit zum Ausführen von Handlungen und Bewegungen und Zeit, um Dinge erfassen zu können
  • Bestehende sprachliche Kommunikationsmöglichkeiten im verbalen und nonverbalen Bereich erhalten und fördern
  • Erhalt der Mobilität
  • Unterstützung beim Äußern der eigenen Meinungen und Wünsche
  • Erhalt der Kulturtechnik Lesen
  • Angebote von Sinnesreizen und Reize zur Wahrnehmung und Körperwahrnehmung zur Verfügung stellen
  • Erhalt des Sprachverständnisses
  • Erhalt der größtmöglichen Selbstständigkeit bei der Nahrungseinnahme in ruhiger und entspannter Atmosphäre mit der nötigen Zeit

oder hr.a.
  • Erhalt und Förderung der Lebensfreude und Lebensqualität
  • Erhalt der Mobilität
  • Reizüberflutung vermeiden
  • Abbau der inneren Unruhe, Gereiztheit und Aggressivität, Vermittlung von Ruhe und Sicherheit
  • Erhalt automatisierter Bewegungsabläufe (z.B. das Schmieren einer Stulle)
  • Erhalt der Grobmotorik
  • Bestehende sprachliche Kommunikationsmöglichkeiten im verbalen und nonverbalen Bereich erhalten und fördern

was willst du sonst noch dazu wissen?

kinava

(edit: Links repariert)

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14 Apr. 2008 16:46 #3459 von Gugs
Hallo kinava,
zunächst wollte ich ganz allgemein wissen, wieviele Ergos überhaupt Befunderhebungen bei Demenz machen. Ich habe nämlich den Eindruck, dass hier ganz viel nur aus dem Bauch heraus gearbeitet wird. Umso mehr freue ich mich, dass Du eine Befundung vornimmst, wobei ich denke, dass man noch etwas differenzierter damit umgehen sollte. Es geht zunächst schon um Äußerlichkeiten: Wie ist der Gesichtsausdruck, wie ist die Stimme etc.? Dann geht es um die Mobilität: kann er noch laufen, benutzt er seine Hände....Wie ist sein Verhalten gegenüber der Therapeutin und gegenüber den Mitbewohnern oder Angehörigen? Wie ist sein affektiver Bereich? Wie sieht seine Kognition aus? Was ist mit seiner Sprache? Wie steht es um seine Körperwahrnehmung? Wieweit ist er noch selbständig? Herausforderndes Verhalten? usw.
Natürlich muss man dann anhand der Befundung die Ziele erarbeiten, wobei ich immer mit dem Wort "Erhalt" vorsichtig bin. Wir können trotz aller Therapie bei einer dementiellen Erkrankung nichts erhalten. Die Krankheit schreitet unweigerlich voran. So sollte man vielleicht sagen: "So lange wie möglich erhalten".
Übrigens erscheint mir das Schmieren einer Stulle keine automatisierte Bewegung. Es gehört schon eine Portion Handlungsplanung und Handlungsausführung dazu. Die Essbewegung als solches (Hand-Mund-Koordination) ist eine automatisierte Bewegung. Beim Schmieren muss der Mensch auf jeden Fall erst einmal das Messer, die Butter und auch das Brot erkennen, dann muss er den Zusammenhang zwischen allen Teilen finden. Wobei eben das Erkennen und auch das richtige Einsetzen vom Messer mit zunehmender Erkrankung immer weiter eingeschränkt wird.
Gugs

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14 Apr. 2008 19:00 #3460 von Sonne
Hallo allerseits,
die Frage:" wieviele Ergos eine Befunderhebung machen! intersiert auch mich.
Eine Befunderhebung gibt es bei uns nicht! Wir besprechen in unserem Team die einzelnen Bew. und deren Biografie.

Ich arbeite als Ergo "in der Betreuung" auf einem schwer dementen Bereich. Hier leben 14 Bew. alle ab dem 5 Stadium der Demenz. Uns geht es um Tagesstruckturen, Lebensfreude- und Lebensqualität. Mobilität und Selbstständigkeit erhalten so lange es geht.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass selbst die Einzelbetreuung schwierig ist, dann ehr zu zweit in einer sogenannten Kleingruppe. Hier kann der eine vom andern abschauen und wird so auch von außen motiviert.
Da ich, außer in der Mittagszeit für die gesamte Bew.gruppe zuständig bin, muss ich mich auf die jeweilige Tagesverfassung der Gruppe konzentrieren.

Ich verfolge die Seiten von ebede sehr genau und habe schon viel davon provitiert. Manchmal geht auch mir die Luft aus und ich brauche neue Ideen.
Vielen Dank an alle.
Liebe Grüße von Sonne

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14 Apr. 2008 20:22 #3463 von Anonymous
Hallo allerseits,

die ersten Jahre meiner Tätigkeit im Altenpflegeheim habe ich noch fleißig Befunde geschrieben und finde das nach wie vor wichtig, bilden sie doch die Grundlage meines Handelns.
Extra zu diesem Zweck habe ich mir in wochenlanger Fleißarbeit so nach und nach einen Blankobogen mit "Dropdown-Menüfeld" erstellt, damit ich möglichst effektiv und dennoch individuell Befunde erstellen kann. Dieser Bogen wurde immer wieder ergänzt und umgeändert um ihn dann doch immer wieder zu verwerfen.
Mittlerweile bin ich mal wieder am ausarbeiten und spanne meinen Freund fleißig mit ein, indem er mit ein Access-Formular erstellt das mit Verknüpfungen arbeitet, so nach dem Motto "Wenn dies zutrifft dann folgt diese und jene Maßnahme/Ziel." Mal sehen, ob sich das in der Praxis bewährt.

Im Laufe der Jahre nahmen die Aufgabengebiete kontinuierlich zu, mein Stellenanteil hingegen wurde von einer ehemals 38,5 Stunden/Woche um 10 % gekürzt, was effektiveres Arbeiten nötig macht.
Darüber hinaus nehmen hausinterne Besprechungen wie tägliche Frühbesprechung, tägliche Fallbesprechung und  1x monatliche Teilname an unserer Projektgruppe zwecks geplantem Umbau viel Zeit in Anspruch.
Meine verbleibende tägliche Arbeitszeit müsste ich theoretisch nur noch den Befunden sowie deren regelmäßige Evaluation wirdmen,  für Gruppen- und Einzelaktivierungen bliebe so gut wie keine Zeit mehr.
Da mich dieser Zustand sehr wurmt, habe ich für mich und meine beiden 1-Euro-Kräfte einen Tagesplan erstellt um zu sehen, wo noch Zeitressourcen übrig sind, aber da ist absolut nichts mehr rauszuholen. Eine zeitlang habe ich täglich nach Feierabend so einen Tagesplan erarbeitet und man schafft auch wirklich mehr, weil man sich im Vorfeld überlegt, wie man z.B. unnötige Wege einspart, mehrere Dinge miteinander verknüpft usw.
Da ich unabhängig davon aber schon mindestens 1 Stunde täglich für die Arbeit zu Hause erledige (z.B. thematisches Gedächtnistraining ausarbeiten), habe ich auch das bald eingestellt, denn diese Arbeit zu Hause bezahlt einem ja niemand.
Überdies kommt es ja doch meist anders als man denkt und Störungen haben Vorrang, z.B. bei Bedarf validierende Gespräche führen.

Der MDK kann nicht einerseits eine tägliche Kurzaktivierung aller immobilen Bewohner (bei uns momentan 12 Bewohner, die rückzugsgefährdeten mobilen Bewohner noch nicht mit eingerechnet!) fordern und andererseits sollen die Akten in Ordnung sein ...da passt was nicht zusammen!

Dank zwei gut eingearbeiteter 1-Euro-Kräfte, die eine Menge an Einzelaktivierungen übernehmen  nehme ich mir seit einem halben Jahr die Freiheit, 2 reine Bürotage pro Woche einzuschieben und bei all den organisatorischen Dingen (z.B. Öffentlichkeitsarbeit, Planen von Festen, Angehörigengespräche, ger. Assessment usw.) brauch ich die auch. Trotz dieser beiden Tage würde ich es nicht schaffen, alle 72 Bewohner ausgiebig zu befunden.
Ich habe einen 16-seitigen "Vorzeigebefund" der vom Ersteindruck bis hin zu psychopathologischen Veränderungen alles umfasst, der im Prinzip aber nur meinen Praktikanten als Anschauung dient.

Das einzige, was ich an "Befund" noch erstelle, ist AEDL Punkt 9 der Pflegeplanung nach M. Krohwinkel "Sich beschäftigen können", den ich übernehme (übernehmen muss) um die Pflegekräfte zu unterstützen.
Hier notiere ich jeweils die Ressourcen, Probleme, die Ziele die sich daraus ergeben sowie die Maßnahmen.
Alle 4 Wochen muss ich evaluieren sowie den indivuellen Wochenablauf jedes Bewohners auf dem neuesten Stand halten und damit bin ich mehr wie ausgelastet.

Darüber hinaus steht mindestens einmal jährlich der MMST bei allen (!!!) Bewohnern an sowie CMAI bei Bedarf, Biografiebögen ergänzen und und und...

Der Schreibkram nimmt immer mehr zu und ich frage mich, was ich zu Beginn meiner Tätigkeit gemacht habe, als ich mit einer 28,5-Stunden/Woche anfing.

Und wenn ich dann sehe, dass meine Kollegen in der Pflege nicht mal einen PC zur Verfügung haben, wie viel Zeit und unnötige Rennerei allein durch PC-gestützte Dokumentation und Intranet eingespart werden könnte dann könnt ich jeden Tag auf´s Neue über die falsche Sparsamkeit meiner Arbeitgeber nachgrübeln.
Ich werd mir diesbezüglich gegenüber der Heimleitung / dem Kreisgeschäftsführer weiterhin so lange den Mund fusselig reden, bis endlich alle im Team  sagen können "Herzlich willkommen im 21. Jahrhundert."
Die eingesparte Zeit können wir dann ruhigen Gewissens den Bewohnern zukommen lassen.

Liebe Grüße,
Cassiopeia

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14 Apr. 2008 21:48 #3467 von kinava


@ gugs

natürlich sind die links hier im forum nur ausschnitte des eigentlichen befunds, der je nach bewohner bei mir 3-4 Seiten ausmacht ( 16 Seiten cassiopeia?!  :o :o - respekt  ;D - wenn ich mir überleg, wie lange ich bei den 4 seiten teilweise schon sitze...) und da ist dann auch genau das drin, was du hier so angesprochen hast:

es geht zunächst schon um Äußerlichkeiten: Wie ist der Gesichtsausdruck, wie ist die Stimme etc.? Dann geht es um die Mobilität: kann er noch laufen, benutzt er seine Hände....Wie ist sein Verhalten gegenüber der Therapeutin und gegenüber den Mitbewohnern oder Angehörigen? Wie ist sein affektiver Bereich? Wie sieht seine Kognition aus? Was ist mit seiner Sprache? Wie steht es um seine Körperwahrnehmung? Wieweit ist er noch selbständig? Herausforderndes Verhalten?


ich bin bei uns die einzige, die die befundung so ausführlich (naja im gegensatz zu cassio kann ich da wohl noch nee schippe draufpacken ;D ) macht. hatte jedoch auch ärger auf arbeit deswegen - thema einschleimen, in vordergrund stellen etc pp) habe dazu aber auch keine zeit auf arbeit, mache dieses für meine derzeit 12 bewohner zu hause. (72 bewohner cassio  :o - da würd icke ja nie fertig werden  ??? - da ist effektives arbeiten ja mehr als angesagt, auch wenn du diese ja nicht sooo genau befundest)

da ich bei uns die einzige bin, die den befund so genau macht, ich noch recht neu im geschäft bin und erstmal keine weiteren kontakte habe, habe ich im moment auch keine rückmeldung zu meinen befunden, was ich schon recht schade finde.

nun ja, aber wenn ich total verwirrt bin, kann ich ja hier fragen, auch wenn die antworten dazu ja eher spärlich ausfallen ;)

kinava

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16 Apr. 2008 17:24 #3495 von Anonymous
Hallo Kinava,

die 16 Seiten im "Anschauungsbefund" kommen zustande, weil ich den Befund nach den Beurteilungskriterien der Ergotherapieschule erstellt habe, die die Schüler einhalten müssen.
Soll heißen: Es ist immer auch ein Beispiel mit aufgelistet, woran man das jeweilige Problem aber auch die Ressource sehen kann. Ansonsten käme ich auf maximal 7 Seiten.  ;)

Liebe Grüße,
Cassiopeia

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17 Apr. 2008 18:41 #3512 von eule248
Hallo
arbeite mich gerade so ein mit dem Thema, mache meine Ausbildung als Motopädin,  der 16 Seitige Bogen würde mich interessieren,
außerdem suche ich hilfreiche Informationen über die stadien der Demenz und so
Gruß eule

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18 Apr. 2008 10:13 #3515 von Jana
Hallo Eule 248!

Zu den Demenzstadien kannst du bei google mal unter GDS - Stadien suchen (definiert nach Reisberg). Da müsstest du fündig werden.

LG! Jana

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03 Juni 2008 10:38 #3821 von lokielie
Dieses Thema scheint zwar schon eingeschlafen zu sein, aber es interessiert mich doch.
Im Forum fällt mir dabei die Dominanz von Tätigen in größeren Einrichtungen auf. Ich vermisse dabei stark die Praxen.
In der guten Therapie kommt man ja ohne saubere Befundung gar nicht aus - schon allein, um Ziele zu finden und Prioritäten zu setzen.
Der Unterschied dürfte allerdings der Zeitfaktor sein- in der Praxis habe ich einen Patienten begrenzt zur Verfügung, egal ob in der Praxis oder beim Hausbesuch. In einer  Einrichtung hängt es wesentlicher von "meiner" Zeiteinteilung ab. In der Praxis arbeitet man hauptsächlich mit Einzelpersonen, dagegen in Einrichtungen mit Gruppen.
Wenn ich dann keine Befundung habe, keinen guten Fragebogen ... dann komme ich nicht weiter.
Großes Manko allgemein - es gibt keine einheitlichen Fragebögen zur Befundung, fast jeder hat sich einen eigenen erbastelt oder von irgendwo übernommen.

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03 Juni 2008 19:35 #3830 von murmeli
Hallo Zusammen! Ich bin Ergo und leitende Pflegefachkraft in unsere Tagesstätte. ich habe die wunderschöne und höchst strapaziöse Aufgabe (weil das der MDK so einfordert)! eine Pflegeplanung vorzulegen die selbstverständlich regelmäßig evaluiert wird. ich spare mir eine speziell ergotherapeutische Befundung, weil die, die damit was anfangen sollen nämlich die Kolllegen eh nix damit anfangen könnten wenn ich mit Apraxie und Aphasie und sonst was ankomm!. Also ich schreibe nach Krohwinkel modifiziert allerdings, die Punkte (unterteilt in AEDL; Problem; Ressourcen; Ziele ; Maßnahmen
1. kommunizieren /kommunikationsverhalten..
2 sich orientieren können
(wobei dieser Punkt am wichtigsten und mit den intensivsten und umfassendsten Maßnahmen (Zbsp Tagesstrukturierung) vebunden ist)
3 sich bewegen
4 sich pflegen und kleiden
4 ausscheiden können
5 essen und trinken
6 für Sicherheit sorgen
7 sich beschäftigen
8 die soziale Integration sichern können
9 mit existenzielle Erfarungen umgehen können

-in all diesen AEDLs und den (von allen MItarbeitern)angewendeten  erforderlichen Maßnahmen um sie wiederherzustellen zu sichern bzw zu erhalten und zu fördern sind im "Rahmen" der alltäglichen Arbeit sämtliche Befunderhebungen erfolgt .
Außerdem mache ich den MMST alle 6 Monate.
Was ich damit sagen will : jeder neue Mitarbeiter der in die Doku reinguckt soll sich ein Bild machen könenn von den Ressourcen und den Problemen und was wir als Team unternehmen- . es sollte überschaubar bleiben und anwendbar! 

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