Hallo allerseits,
die ersten Jahre meiner Tätigkeit im Altenpflegeheim habe ich noch fleißig Befunde geschrieben und finde das nach wie vor wichtig, bilden sie doch die Grundlage meines Handelns.
Extra zu diesem Zweck habe ich mir in wochenlanger Fleißarbeit so nach und nach einen Blankobogen mit "Dropdown-Menüfeld" erstellt, damit ich möglichst effektiv und dennoch individuell Befunde erstellen kann. Dieser Bogen wurde immer wieder ergänzt und umgeändert um ihn dann doch immer wieder zu verwerfen.
Mittlerweile bin ich mal wieder am ausarbeiten und spanne meinen Freund fleißig mit ein, indem er mit ein Access-Formular erstellt das mit Verknüpfungen arbeitet, so nach dem Motto "Wenn dies zutrifft dann folgt diese und jene Maßnahme/Ziel." Mal sehen, ob sich das in der Praxis bewährt.
Im Laufe der Jahre nahmen die Aufgabengebiete kontinuierlich zu, mein Stellenanteil hingegen wurde von einer ehemals 38,5 Stunden/Woche um 10 % gekürzt, was effektiveres Arbeiten nötig macht.
Darüber hinaus nehmen hausinterne Besprechungen wie tägliche Frühbesprechung, tägliche Fallbesprechung und 1x monatliche Teilname an unserer Projektgruppe zwecks geplantem Umbau viel Zeit in Anspruch.
Meine verbleibende tägliche Arbeitszeit müsste ich theoretisch nur noch den Befunden sowie deren regelmäßige Evaluation wirdmen, für Gruppen- und Einzelaktivierungen bliebe so gut wie keine Zeit mehr.
Da mich dieser Zustand sehr wurmt, habe ich für mich und meine beiden 1-Euro-Kräfte einen Tagesplan erstellt um zu sehen, wo noch Zeitressourcen übrig sind, aber da ist absolut nichts mehr rauszuholen. Eine zeitlang habe ich täglich nach Feierabend so einen Tagesplan erarbeitet und man schafft auch wirklich mehr, weil man sich im Vorfeld überlegt, wie man z.B. unnötige Wege einspart, mehrere Dinge miteinander verknüpft usw.
Da ich unabhängig davon aber schon mindestens 1 Stunde täglich für die Arbeit zu Hause erledige (z.B. thematisches Gedächtnistraining ausarbeiten), habe ich auch das bald eingestellt, denn diese Arbeit zu Hause bezahlt einem ja niemand.
Überdies kommt es ja doch meist anders als man denkt und Störungen haben Vorrang, z.B. bei Bedarf validierende Gespräche führen.
Der MDK kann nicht einerseits eine tägliche Kurzaktivierung aller immobilen Bewohner (bei uns momentan 12 Bewohner, die rückzugsgefährdeten mobilen Bewohner noch nicht mit eingerechnet!) fordern und andererseits sollen die Akten in Ordnung sein ...da passt was nicht zusammen!
Dank zwei gut eingearbeiteter 1-Euro-Kräfte, die eine Menge an Einzelaktivierungen übernehmen nehme ich mir seit einem halben Jahr die Freiheit, 2 reine Bürotage pro Woche einzuschieben und bei all den organisatorischen Dingen (z.B. Öffentlichkeitsarbeit, Planen von Festen, Angehörigengespräche, ger. Assessment usw.) brauch ich die auch. Trotz dieser beiden Tage würde ich es nicht schaffen, alle 72 Bewohner ausgiebig zu befunden.
Ich habe einen 16-seitigen "Vorzeigebefund" der vom Ersteindruck bis hin zu psychopathologischen Veränderungen alles umfasst, der im Prinzip aber nur meinen Praktikanten als Anschauung dient.
Das einzige, was ich an "Befund" noch erstelle, ist AEDL Punkt 9 der Pflegeplanung nach M. Krohwinkel "Sich beschäftigen können", den ich übernehme (übernehmen muss) um die Pflegekräfte zu unterstützen.
Hier notiere ich jeweils die Ressourcen, Probleme, die Ziele die sich daraus ergeben sowie die Maßnahmen.
Alle 4 Wochen muss ich evaluieren sowie den indivuellen Wochenablauf jedes Bewohners auf dem neuesten Stand halten und damit bin ich mehr wie ausgelastet.
Darüber hinaus steht mindestens einmal jährlich der MMST bei allen (!!!) Bewohnern an sowie CMAI bei Bedarf, Biografiebögen ergänzen und und und...
Der Schreibkram nimmt immer mehr zu und ich frage mich, was ich zu Beginn meiner Tätigkeit gemacht habe, als ich mit einer 28,5-Stunden/Woche anfing.
Und wenn ich dann sehe, dass meine Kollegen in der Pflege nicht mal einen PC zur Verfügung haben, wie viel Zeit und unnötige Rennerei allein durch PC-gestützte Dokumentation und Intranet eingespart werden könnte dann könnt ich jeden Tag auf´s Neue über die falsche Sparsamkeit meiner Arbeitgeber nachgrübeln.
Ich werd mir diesbezüglich gegenüber der Heimleitung / dem Kreisgeschäftsführer weiterhin so lange den Mund fusselig reden, bis endlich alle im Team sagen können "Herzlich willkommen im 21. Jahrhundert."
Die eingesparte Zeit können wir dann ruhigen Gewissens den Bewohnern zukommen lassen.
Liebe Grüße,
Cassiopeia