Hallo Andrea!
Letztendlich findet jeder mit der Zeit sein eigenes Ritual.
Ich finde es bedenklich, wenn du diese Rituale vor den anderen Bewohnern geheimhalten willst, denn der Tod wird in unserer Gesellschaft schon zu viel tabuisiert.
Für die Bewohner - die ihr eigenes Ablschiednehmen in nicht allzuweite Ferne wissen - ist doch wichtig mitzuerleben, dass der verstorbene Mensch wichtig war, sein Tod eine Lücke aufgerissen hat und dass man nicht einfach zum Alltagstrott übergeht.
Verstirbt ein Bewohner in der Einrichtung, gehe ich noch einmal hin und lasse meinen Gedanken freien Lauf.
LED-Lampen finde ich scheußlich; bei uns gibt es Kerzen (auch bei Feiern) und die werden auch angezündet. Aber nur unter Aufsicht von Mitarbeitern.
Oft bekommen Mitbewohner ja gar nicht mit, wenn jemand verstirbt und ich höre oft die Enttäuschung heraus, wenn Bewohner vom Pflegepersonal nicht erfahren, wenn im Zimmer nebenan jemand verstorben ist.
Die Haltung „Ich wollte Sie damit nicht belasten“ finde ich falsch, denn das Interesse an den Mitmenschen, an ihrem Leben wie auch an ihrem Tod ist eindeutig vorhanden.
Ich fände es pietätlos, einfach zum normalen Alltag überzugehen, insbesondere wenn enge Kontakte zum Verstorbenen gepflegt wurden. Man merkt recht schnell, wer darüber sprechen möchte und wen das zu sehr belastet.
Die Möglichkeit, den eigenen Gedanken freien Lauf zu lassen und die Besonderheiten des Verstorbenen noch einmal in Erinnerung zu rufen gebe ich grundsätzlich immer.
Das ist oft nicht einfach, insbesondere wenn eine bestimmte Aktivität für den Tag geplant war. Ich verweise in solchen Situationen darauf, dass ich mir gern nach der Gruppenstunde Zeit für Einzelgespräche nehme und das wird auch gern angenommen.
Meine "eigenen Rituale":
Ich habe ein Trauergesteck angefertigt und das wird an die Tür des Verstorbenen gehängt. Gehe ich mit einem Bewohner daran vorbei, halten wir kurz inne und ich erinnere an die verstorbene Person.
Auf einer Anrichte stelle ich ein Kreuz , eine Kerze (wird nicht angezündet) und einen Bilderrahmen, in dem neben dem Sterbedatum auch ein Trauerspruch und – falls vorhanden – ein Foto des Verstorbenen eingefügt ist.
Erstmalig werde ich in diesem Jahr auch ein Fotoalbum anlegen. Dort hinein kommt die Traueranzeige, ein schönes Foto des Verstorbenen, Charaktereigenschaften, die denjenigen auszeichneten oder auch typische Sprüche. Das Album liegt dann im Wohnbereich aus und wer mag, kann da jederzeit reinschauen. Bin mal gespannt, wie das angenommen wird. Ich erlebe aber immer wieder, wie Gespräche über Verstorbene aufkommen und dann fragt immer einer „Wer war denn das? Ich kann mich gar nicht erinnern!“ und da soll eben das Album helfen.
Wenn möglich, nehme ich an der Beerdigung teil und frage Mitbewohner, ob sie mich begleiten möchten was auchs chon oft der Fall war.
Auch die Gespräche mit Angehörigen sind wichtig; das Pflegepersonal hat ja selten die Zeit für ein paar tröstende Worte.
Ich weiß von einem schönen Ritual in einem anderen Pflegeheim:
Vor der Tür des Verstorbenen wird eine große Bodenkerze aufgestellt und die Mitarbeiter versammeln sich vor der Tür. Jeder darf seinen Gedanken freien Lauf lassen, sowohl positive als auch negative Gedanken zum Verstorbenen. Denn nicht jedem Bewohner wird hinterhergetrauert, oft ist es auch für das Personal eine Erlösung, wenn jemand heimberufen wird. Diese Art des Abschiednehmens empfinde ich als ehrliche Art, mit seinen eigenen Gedanken und Gefühlen ins Reine zu kommen.
So würde ich auch nicht zu einer Trauerfeier gehen, wenn keine echte Anteilnahme dahinter steckt.
Meist versterben die Bewohner ja im Krankenhaus und man hat keine Möglichkeit mehr, persönlich Abschied zu nehmen. Wenn man dann nach dem Wochenende vom plötzlichen Tod eines Bewohners erfährt, wird einem wieder bewusst, dass das Leben ein Geschenk ist und wir nur für kurze Zeit Gast auf dieser Welt sind.
Liebe Grüße,
Cassiopeia