Unterschied zwischen Therapie und Beschäftigung

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14 Feb. 2008 19:56 #2797 von Johanna Radenbach
Johanna Radenbach antwortete auf Unterschied zwischen Therapie und Beschäftigung
Mit einem Angriff in diese Richtung hatte ich schon gerechnet, als ich diesen Threat eröffnete ;D . Ein sehr sensibles Thema. Aber gerade solche Aussagen wie die von Robins steigern doch die Diskussionsfreude.

robins schrieb: wenn das so ist, dann werden dir meine Altenpflegeschülerinnen sehr dankbar sein.Denn das würde das Fach Beschäftigung erheblich vereinfachen und sie könnten ja im Prinzip auf die umfangreichen Ausarbeitungen die sie vor jeder Beschäftigungsstunde machen müssen verzichten.


Ich denke nicht, dass das das Fach "Beschäftigung" erheblich vereinfacht wird, wenn bestimmte Ziele für die Maßnahme wegfallen. Der Schwerpunkt liegt nur wo anders als bei der Therapie. Es geht nicht darum, dass eines besser ist als das andere. Auf eine umfangreiche Ausarbeitung vor Beschäftigungsstunden sollte keinesfalls verzichtet werden! Personen erfolgreich zu beschäftigen ist ein schwieriges Unterfangen, genauso wie eine erfolgreiche Therapie durchzuführen. Man muss doch aber Unterschiede machen können, oder stehe ich mit dieser Meinung allein da? Es geht doch nicht, dass man Altenpflegeschüler in "Therapie" anstatt in "Beschäftigung" unterrichtet. Eine Unterscheidung zwischen therapieren und beschäftigen ist doch auch insofern wichtig, um Ergotherapie bei Demenzkranken zu begründen und das Fachgebiet für Ergotherapeuten weiter aufrechtzuerhalten.

Herzliche Grüße

Johanna   

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14 Feb. 2008 20:11 #2798 von laatzen
Hallo, möchte noch folgendes ergänzen:
ihr schreibt, dass der Patient /Klient in der Therapie im Gegensatz zum Beschäftigungsangebot, möglichst viel selbst tun soll. Ich denke, es geht noch weiter.
Unser oberstes ergotherapeutisches Ziel ist es doch, das menschliche Grundbedürfnis nach sinnvoller Betätigung zu befriedigen, bzw diese zu ermöglichen. Dabei verstehe ich Betätigung als alles, womit Menschen ihre Zeit verbringen. Wenn wir die Bewohner aktivieren, ermöglichen wir ihnen also, in eine (sinnvolle, für ihn selbst bedeutsame) Handlung zu kommen. Diese Handlung kann auch nur ganz "klein" sein, z.B. sich selbst besser wahrnehmen zu können, "bei sich anzukommen" oder in Interaktion zu gelangen.
Betätigung als ein Erleben von Autonomie und Identitt zu erfahren, ist doch gerade bei Dementen elementar wichtig.
Ich denke, mit dem ausreichenden Hintergrundwissen und einer bestimmten Grundhaltung, wird aus einem einfachen Beschäftigungsangebot eine individuelle Therapie.  

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14 Feb. 2008 20:15 #2799 von laatzen
Wollte natrürlich Identität schreiben, nicht Identitt...

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19 Feb. 2008 01:55 - 19 Feb. 2008 01:58 #2881 von E.P.

Johanna schrieb: 1. Beschäftigung hat ausschließlich das Ziel, dem Klienten Freude zu bereiten, langer Weile und Passivität auszuweichen. Therapie hat mehr Ziele, z. B. zusätzlich das Fördern der Kommunikation, Sturzprophylaxe etc.

robins schrieb: wenn das so ist, dann werden dir meine Altenpflegeschülerinnen sehr dankbar sein.Denn das würde das Fach Beschäftigung erheblich vereinfachen und sie könnten ja im Prinzip auf die umfangreichen Ausarbeitungen die sie vor jeder Beschäftigungsstunde machen müssen verzichten.


Therapie im eigentlichen Sinn bedeutet vereinfacht gesagt Heilung (in welchem Umfang auch immer).

Ein Therapeut verfolgt dabei primär genau dieses Ziel, egal um welches Krankheitsbild es sich handelt. Man könnte nun annehmen, das aufgrund dessen Demenzerkrankungen nicht therapierbar sind. Wir wissen jedoch, dass sich der Verlauf einer Demenzerkrankung durch Therapie beinflussen lässt.
Ich finde dass eine adäquate Beschäftigung in diesem Sinne auch Therapie sein kannn. Wenn wir den Begriff der Therapie ausdehnen und auch einflussnehmende Faktoren berücksichtigen, die sich positiv auf das Krankheitsbild auswirken, jedoch keine kausale "Heilung" zu folge haben, haben auch Altenpfleger einen nicht unerheblichen Anteil am gelingen einer Therapie bei Demenzerkrankungen.

Neuere Studien belegen z.B. die Wirksamkeit im Umgang mit Dementen auf ihr Verhalten. Dabei hat sich herausgestellt, dass Demente Personen im wesentlich durch ihr Umfeld beinflusst und gesteuert werden. Man schätzt die Wirksamkeit sogar höher ein als diese durch eine medikamentöse Behandlung erreicht werden  kann.

Demzufolge haben wohl alle Beteiligten die im Umfeld eines Demenzerkrankten stehen einen Einfluss auf die Therapie, ob bewusst oder unbewusst.
Ich kann nur aus praktischer Erfahrung heraus sagen, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen den Berufsbildern in der Altenpflege den Therapieerfolg nahezu potentiert.
Dies wird besonders deutlich bei Themen wie Valdation oder ADL, wo alle Berufsgruppen beteiligt sind.
Ein kurzes Beispiel: Ich erarbeite mit einem Patient das Gehen am Rollator, 2x wöchentlich a 45min. Eine Pflegekraft hätte die Möglichkeit im Rahmen der ADL Bewegung (Krohwinkel Modell) jeden Tag mehrfach diesen Patienten nach vorheriger Anleitung durch mich adäquat zu begleiten und trüge damit einen Meilenstein der gesamten Therapie.

Vielleicht sollten wir in der Geriatrie andere Maßstäbe für Wort "Therapie" finden. Ich erlebe die enge Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal, wenn sie denn gelingt, als sehr fruchtbar für alle Beteiligten.
Möglicherweise liegt auch hier ein Puzzelteil des Verwirrspiels "Beschäftigung vs Therapie" in der Geriatrie versteckt. (Ähnliche Voraussetzungen erleben übrigens auch Eltern betroffender Kindern in der Pädiatrie - Stichwort Elternarbeit und ihr Einfluss auf den Therapieverlauf).

Lieben Gruss

und sicher ein Thema über das sich hier mehr Gedanken zu machen lohnt :)

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02 März 2008 18:52 #3004 von Johanna Radenbach
Johanna Radenbach antwortete auf Unterschied zwischen Therapie und Beschäftigung
Hallo,

vielen Dank für die interessanten Beiträge.

Aus den Antworten von laatzen und E.P. höre ich heraus, dass eine Trennung zwischen Ergotherapie und Betreuung/Beschäftigung/Aktivierung von Demenzkranken eigentlich nicht vollständig möglich ist, eine strickte Trennung aber auch nicht zwangsläufig sein muss, um den Demenzkranken zu fördern und die Krankheitssymptome so lang wie möglich herauszuzögern (dies ist ja auch das Ziel der Ergotherapie). Eine adäquate Beschäftigung kann laut den Beiträgen also auch Therapie sein. Da die Zusammenarbeit zwischen dem Pflegepersonal und den Ergotherapeuten eng sein muss, um gute Pflege und Therapie oder Beschäftigung zu gewährleisten, übernehmen auch Pflegekräfte laut den Antworten einen beträchtlichen Teil der Therapie. Sehr interessant fand ich diese Aussage, die einer intensiven Überlegung wert ist:

E.P. schrieb: Vielleicht sollten wir in der Geriatrie andere Maßstäbe für Wort "Therapie" finden.


Noch ein Unterschied zwischen Ergotherapie und Betreuung/Beschäftigung/Aktivierung: Ergotherapeuten erheben vor der Behandlung des Patienten idealerweise einen Befund. In der Betreuung/Beschäftigung/Aktivierung wird kein Befund erhoben.

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08 Apr. 2008 17:02 #3398 von Gugs
Hallo, Ihr,
in diesem Zusammenhang habe ich die Frage an Euch, wer macht eigentlich bei dementiell erkrankten Menschen eine ergotherapeutische Befunderhebung? Es geht hier nicht um Tests, die zur Diagnostik herangezogen werden, sondern um eine Befundung, wie wir das auch bei anderen Krankheitsbildern durchführen, um Ziele anstreben zu können. Habt Ihr Euch darüber schon einmal Gedanken gemacht?
Gugs

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10 Apr. 2008 19:15 - 10 Apr. 2008 19:26 #3418 von majati
Noch mal zum Ausgangsthema:

Der Begriff "Ergotherapeut" hieß früher: "Arbeits- und Beschäftigungstherapeut".

Er entstand nicht zuletzt aus der Erkenntnis, dass Beschäftigung/ Betätigung in irgendeiner Form wichtig für den Menschen ist bezüglich des Erlernens (bei Kindern als Spiel) und des Erhalts seiner Fähigkeiten ( bei Erwachsenen ).

Insofern könnte "Therapie" aus der simplen Beschäftigung erwachsen sein.
Der Unterschied liegt in der Zielsetzung bei der Therapie.

Ich sehe das ähnlich, wie hier schon beschrieben: es gibt Überschneidungen zwischen beiden Begrifflichkeiten.

Demnächst darf ich einen Vortrag halten über Ergotherapie.
Das Thema ist ebenso notwendig wie herausfordernd:

"Ergotherapie: mehr als Beschäftigung".

( zwar mehr auf den psychischen Behandlungsbereich zugeschnitten, aber Gerontopsychiatrie gehört ja auch dazu...)

Ich bin gespannt, wie die Reaktionen sein werden.

Momentan trage ich noch Ideen dazu zusammen.
Über weitere Anregungen zum Thema würde ich mich sehr freuen.

( Richtig gut wäre ein praktisches durchführbares Beispiel für eine größere Zuhörergruppe... ;)   )

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05 Mai 2008 19:47 #3646 von majati
...gern noch mal nach oben...    :)

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19 März 2009 23:21 #5771 von rosi niels
Hallo
ich wess das es schon recht lange her ist das zu diesem Thema etwas geschrieben wurde, aber ich finde das es jetzt, wo in vielen Einrichtungen
die zusätzlichen Stellen für die Betreuung geschaffen wurden noch einmal wichtig ist auf die Unterschiede zwischen Beschäftigung und Therapie hinzuweisen.
Ich habe heute nachmittag gelesen was diese Betreuungskräft leisten sollen
-Erinnerungsalben anfertigen
-Spaziergänge begleiten
-Spiele (MÄDN, Bingo ...........
-Gespräche
-kleine Ausflüge unternehmen
z.B. Gottesdienste besuchen, Friedhofsbesuche
-Begleitung zu kulturellen Veranstaltungen
-vorlesen
-basteln
usw

Wobei Erinnerungsalben anfertigen mache ich auch, wenn denn von den Angehörigen Bilder mitgebracht werden, aber unter biographischen Aspekten.
Spaziergänge im Garten - mache ich auch, aber vorher habe ich zusammen mit dem BW überlegt welche Pflanzen jetzt wohl blühen oder welche Früchte jetzt reif sind und dann gehen wir nachsehen ob die Blumen im Garten blühen und pflücken uns einige für den Tisch, oder ernten einige Früchte...........aktivieren das LZG ist schon ein Unterschied zum "einfachen"
Spazierengehen oder?
Ich könnte die Liste hier sicher noch weiter fortsetzen
Aber ich denke wenn wir diese Unterschiede den verantwortlichen Leuten
auf Heimleitungsebene und den Mitarbeitern in der Pflege -immer schön im Dialog bleiben- verständlich machen können brauchen wir uns und unsere Tätigkeit nicht immer zu verteidigen -
Wir haben für alle BW eine ergotherapeutische Befunderhebung (aus dem Buch von Frau Schaade -Ergotherapie bei Demenzerkrankung) durchgeführt.
ich diskutiere nicht mit den PK ich rede mit Ihnen und erkläre warum ich etwas mache, so wie ich es mache. Ich sie auch schon gefragt was sie denn meinen warum ich das mache - ziemlich viel falsche oder nur halbrichtige Antworten erhalten, Dann konnte ich sagen warum
Mußte an dieser Stelle mal gesagt werden
Schönen Abend
Rosi

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