Hallo Maia,
ich kann dir gut nachempfinden und könnte dir zig Dinge nennen, die ich gern ändern würde, wenn nicht immer diese vielen Steine wären, die einem in den Weg gelegt werden.
Man weiß, wie es theoretisch funktionieren könnte/müsste, leider sieht die Praxis jedoch so aus, dass etliche Ideen nicht umsetzbar sind. Leider ist es immer noch an der Tagesordnung, dass viele gut gemeinten Vorhaben am Personal- und Zeitmangel oder spätestens an den Sicherheitsbestimmungen scheitern.
Von all dem, was du beschreibst, träumt wohl jeder, der in einem Pflegeheim arbeitet. Und ich träume davon, dass die Worte „Zu wenig Personal“ , „Dafür habe ich keine Zeit!“ "Das haben wir schon immer so gemacht!" gänzlich aus dem Vokabular verschwinden.
Dass Verbesserungen trotz der Widrigkeiten umsetzbar sind, beweisen Einrichtungen der 4. Generation mit ihrem Hausgemeinschaftskonzept. Hier orientiert sich alles am „Normalitätsprinzip“.
Wenn ich die Chance bekäme in so einer Einrichtung zu arbeiten müsste ich nicht lange überlegen!
Viele deiner Ideen hatte auch ich und sicher auch viele andere schon, doch dann lassen sich beispielsweise gemütliche Sofaecken mit hygienischen Gesichtspunkten und/oder Sicherheitsaspekten (Inkontinenz / lange Flure ohne Sitzmöglichkeit weil dadurch die Fluchtwege versperrt würden) nicht vereinbaren.
Das Besorgen der „biografischen Anknüpfungsmöglichkeiten“ ist da noch das geringste Problem, wenn es einem trotz dürftig ausgefüllter Biografiebögen seitens der Angehörigen und Desorientiertheit zur eigenen Person gelungen ist, eine Sozialanamnese zu erstellen.
Wünschenswert aber schwer vorstellbar sind zumindest für mich 5 – 7 Bewohner, weil sich das für eine Einrichtung einfach nicht rechnet. Da ist der hohe Stellenschlüssel – der notwendig ist – nicht mehr gerechtfertigt. Stattdessen hat man es dann mit 10-13 Bewohnern pro Bereich zu tun und da wird es schon schwer, jeden individuell zu betreuen.
„sollten morgens bereits zum Frühstück hingebracht werden können“…
von wem denn? Ich rede mir seit Jahren den Mund fusselig, dass ich Unterstützung bei den Hol- und Bringdiensten der Bewohner benötige und ernte immer nur „Ich hab keine Zeit!“ Für eine 30-minütige Gruppenstunde mit Dementen muss ich inklusive Vor- und Nacharbeiten mindestens (!) die doppelte Zeit veranschlagen, die Dokumentation noch nicht inbegriffen!
Und da ich schon das „Normalitätsprinzip“ erwähnt habe, lässt sich das schwer mit einem gemeinsamen Beginn des Frühstücks vereinbaren. Denn das setzt ja voraus, dass alle Bewohner zur gleichen Zeit mit der Grundpflege fertig sind und wo bleibt da die Individualität? Der eine ist Frühaufsteher, der andere schläft gern lange! Der eine mag Gesellschaft, der andere ist lieber für sich. Ich als Langschläfer springe jedem an die Gurgel, der mich im Alter um 7.00 Uhr aus dem Bett zerrt, nur damit die Therapeutin im Anschluss an das Frühstück ihre „entsprechende Förderung“ durchführen kann
Ich will deinen Enthusiasmus und Engagement mit meinen kritischen Zeilen nicht madig machen…ganz im Gegenteil! Dein „Projekt“ setzt ein Umdenken aller Mitarbeiter voraus und das ist die größte zu nehmende Hürde.
Es kostet viel Kraft und Nerven, gegen „Das haben wir in den letzten 20 Jahren immer so gemacht!“ anzukämpfen. Da freut man sich schon über Erfolge in kleinen Schritten.
ich wünsche dir viel Kraft bei der Umsetzung deiner Ideen!
Liebe Grüße,
Cassio