Hallo Line!
Als ich während der ET-Ausbildung mein Praktikum in der Geriatrie gemacht habe, habe ich viel geweint - so belastet hat mich die ganze Atmosphäre und die Sterberei dort.
Das ist nun 23 Jahre her und ich habe nach einiger Zeit ind er Pädiatrie in meinem Wunschbereich der Psychiatrie gearbeitet und bin immer noch dort beschäftigt. Ich arbeite mit chronisch psychisch Kranken, also mit Menschen, die es auch schwer haben mit der Akzeptanz ihrer Erkrankung und ihres Schicksals. Eine Heilung ist nicht möglich. Therapie im strengen Sinn mache ich nicht; es geht dort viel um Aushalten, zusammen mit den Betroffenen.
Dann habe ich einen Vorbereitungskurs zur Lebens- und Sterbebegleiterin in der palliativen Geriatrie gemacht und mich intensiv mit dem Thema Sterben und Tod, mit Demenz und Pflegebedürftigkeit auseinandergesetzt. Mit großem Gewinn für mich persönlich. Die Lebenshaltung, die man dabei lernt, ist nicht nur beruflich hilfreich. Validation, Biographiearbeit - das sind Themen, die eine Weltanschauung vermitteln, die auch im Umgang mit gesunden Menschen hilfreich sein können. Man lernt eine größere Gelassenheit und kann sich von ungesunden Erwartungen befreien. Man muss nichts mehr erreichen - keine Ziele, keine Verbesserung. Man darf den Menschen dort abholen, wo er ist. Man hat, wenn man Glück hat, die Möglichkeit, den Menschen zu begegnen, auf sehr persönlicher und emotionaler Ebene. Die Emotionalität bleibt ja bei Demenzen erhalten und wenn die sprachliche Verständigung nicht mehr funktioniert, gibt es andere Möglichkeiten, in Kontakt zu treten: das Singen oder Summen von Melodien, die vielleicht aufgegriffen werden, das gemeinsame Atmen, die Berührung...
Mir macht die Arbeit mit alten Menschen und Demenzkranken Freude. Jetzt. Mit 54 Jahren. Jetzt ist es genau richtig für mich. Wobei ich das nur nebenberuflich mache, einzelnd oder in Gruppen.
Ich habe keine Lust mehr, mit Kindern zu arbeiten, wo die Verantwortung mir größer erscheint, weil sie noch ihre ganzes Leben meistern müssen und im sozialen Umfeld mit entsprechenden Erwartungen eingebunden sind.
Ich finde es mittlerweile ein sehr gutes Arbeitsfeld.
Der Sterberei entgeht man auch nicht wirklich: Eine sehr gute Ergotherapeutin, von der ich sehr viel gelernt habe, berichtete von ihrem Weg ins Seniorenwohnheim: Sie arbeitete auf der Kinderstation einen Krankenhauses und erlebte hautnah, wie dort ein Säugling starb........Da sie dies nicht aushielt, fand sie ihren Platz in der Geriatrie.
Ich hoffe, dass ich dir mit diesen Schilderungen etwas geholfen habe. Mein Rat wäre zu gucken, was du möchtest. Vielleicht ist es wirklich nicht die Geriatrie oder
keine geriatrische Einrichtung. Das kannst nur du wissen.
Aber wenn es die alten Menschen sind, mit denen du arbeiten möchtest, kannst du persönlich lernen, einen Umgang mit den Problemen der Verschlechterung von Zuständen und Verläufen und dem Sterben, dem Tod zu finden. Validation, Biographiearbeit und Basale Stimulation sind hilfreiche Stichworte. Man muss sich nicht hilflos fühlen. Man kann viel machen - auch wenn es nach außen nicht unbedingt sichtbar ist. Man kann den Menschen begegnen und sie begleiten.
Ich wünsche dir für deinen beruflichen und vor allem persönlichen Weg Geduld und Mut!
senioras