"ich muss jetzt nach hause"

hallo. haben eine neue Bewohnerin. mobil, dement und weg/hinlauftendenz.
Sie ist den ganzen Tag im Haus unterwegs und will immer nach Hause.dann kommt sie an und sagt: können sie mich bitte nach hause bringen??

wie soll man damit umgehen?

lügen? "Ihre Kinder sind gerade nicht zu hause?" wie gehen später?

sie lässt sich halt auch nicht beruhigen, oder sich in ein Gespräch verwickeln zur Ablenkung..

wie geht ihr damit um?

Hallo,

Sicher läßt sie sich in kein Gespräch verwickeln. Sie will ja nach Hause und hat da sicher auch einen guten Grund für. Nur den verstehen/ kennen wir nicht.

Evt. Kannst du sagen: Sie möchten nach Hause. Werden sie erwartet? Ist noch viel zu Tun? Und dann versuchen da einen Faden zu spinnen und sie so in ein Gespräch zu verwickeln, indem du sie ernst nimmst und ihr Bedürfnis keineswegs in Frage stellst.

Ich habe Arno Geiger gelesen. Der alte König in seinem Exil. Da sagt Geiger sinngemäß, dass er verstehen kann, dass sein Vater nach Hause will, obwohl er ja daheim ist. Er erkennt sein zu hause nicht mehr und fühlt sich fremd.  Geiger stellt sich vor, wie das sein muss, wenn man nicht mehr weiß wo man ist und man nur einfach Angst hat. Dann will man nach Hause....Er versuchte ihm dann das Gefühl von Verständnis und Geborgenheit zu geben und dann ging es dem Vater besser.

LG Sophia

Sonnenblume123 schrieb: lügen? "Ihre Kinder sind gerade nicht zu hause?" wie gehen später?

sie lässt sich halt auch nicht beruhigen, oder sich in ein Gespräch verwickeln zur Ablenkung..

Um Gottes willen NEIIIIIN
Genau das war meine erste, spontane Reaktion auf deinen Beitrag.
Demente belügen geht garnicht!!!
Sie spüren das sehr schnell und verlieren ihr Vertrauen in dich.
Ablenken?
Ist genauso schlecht. Schließlich möchte die Person eine Lösung, keine Ablenkung.
Stell dir vor, du hast etwas dir sehr dringliches und alle lenken immer nur ab, gehen nie auf dein Problem ein......

Das einzige wirklich greifende Mittel (meiner Erfahrung) ist Validation. Oder zumindest wertschätzende, ernst nehmende Gespräche.

Sophia65 gibt dir schon einen Ansatz.

Finde zuerst heraus was sie so drängt heim zu wollen.
Die Kinder brauchen ihr Mittagessen
Der Haushalt muß gemacht werden
Der Mann kommt bald von der Arbeit und erwartet ihr daheim sein
Essen steht auf dem Herd, das brennt an
Meine Mama wartet auf mich
...............und und und.

Es gibt sehr viele Beweggründe für einen dementen Heim zu wollen. Geh auf diesen Grund ein, frag nach, nimm ernst, zeig Anteilnahme.

Stell sog. W Fragen, nur NIE mit "warum".
- Das würde komplexe Denkvorgänge verlangen die ein dementer nicht mehr so "denken" kann. -
Was erwarten die Kinder
Wer wartet
Was mag ihr Mann..................

Dazu kannst du auch mit persönlichen oder allgemein gültigen Phrasen agieren.
Sie sind eine ordentliche/verlässliche Hausfrau/Mutter
Da muß man schon auf Sauberkeit achten

Auch hier gibt es sehr viele Möglichkeiten der verbalen Ansprache. Dazu non- +  paraverbal arbeiten. Spiegel ihre Gefühle, Haltung, Tonlage. Aber ohne zu überzeichnen.

Schau mal auf www.integrative-validation.de/start.htm
Dort findest du Publikationen von Nicole Richards in PDF. Die können dir weiterhelfen.

Ich kann nur jedem empfehlen einen Grundkurs in IVA® (Integrative Validation nach N. Richards) zu machen. Schon damit hat man ein gutes Rüstzeug für die Kommunikation mit dementen.
lg Trulla-la

Sonnenblume123 schrieb: hallo. haben eine neue Bewohnerin. mobil, dement und weg/hinlauftendenz.
Sie ist den ganzen Tag im Haus unterwegs und will immer nach Hause.dann kommt sie an und sagt: können sie mich bitte nach hause bringen??

wie soll man damit umgehen?

lügen? "Ihre Kinder sind gerade nicht zu hause?" wie gehen später?

sie lässt sich halt auch nicht beruhigen, oder sich in ein Gespräch verwickeln zur Ablenkung..

wie geht ihr damit um?

Hallo Sonnenblume,
ja mit Lügen kommt man "meist" nicht weiter bei demenziell erkrankten Menschen. Validation, wie Trulla schrieb, ist da schon ein guter Weg.

Wenn Du viel Biografie der Bewohnerin in der Akte stehen hast und ungefähr weist, wo sie sich gerade zeitlich befindet, kannst Du am Besten auf sie eingehen.
Hier findest Du viele Validierende Sätze: www.perspektive-demenz.de/fileadmin/user...ierende%20Saetze.pdf
Und hier mögliche Formulierungshilfen bei Antrieben: www.perspektive-demenz.de/fileadmin/user...gshilfe_Antriebe.pdf
Gruß Pegasus

@ Trulla-la und Pegasus

Nach so vielen Jahren in der Dementenbetreuung bin ich immer wieder schockiert, wie wenig in den Heimen (teilweise gar nicht) validiert wird.Also danke für eure Beiträge.

Getreu nach dem Motto verwirrt die Verwirrten doch noch ein bischen mehr als sie es sowieso schon sind, wird mit sinnlosen Antworten wie sie wohnen doch hier oder ihr Mann ist doch längst tot, das Haus verkauft ect. bei Dementen auf jeden Fall ein Ziel erreicht.Extreme Unruhe.

Meine Bitte an alle die Dementen betreuen und therapieren.Beschäftigt euch mit dem Thema Integrative Validation oder dementengerechte Kommunikation.
Ich erlebe immer wieder Situation wo zu laut zu viel von hinten angesprochen, verschiedene Kommunikationsebenen angewandt,genervt,gelogen oder gar nicht gesprochen wird.All das gehört übrigens auch zu Gewald in der Pflege.
Und validieren ist kinderleicht.Gefühle erkennen und benennen mehr nicht.Agieren und reagieren