Logo UmfrageViele EbeDe.net-Mitglieder sind sich einig, dass man um eine akkurate Befunderhebung nicht herum kommt, um Therapieziele zu ermitteln und dem Patienten eine professionelle Behandlung zu bieten. Das Ergebnis unserer Umfrage zeigt jedoch, dass sich viele Therapeuten diesen Schritt in der Praxis trotz besseren Wissens sparen.

Ergotherapie ohne Befunderhebung undenkbar

Wir wollten wissen, wie viele Ergotherapeuten eine Befunderhebung bei Demenzpatienten vornehmen. Innerhalb von zwei Monaten haben 114 Personen abgestimmt. Mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) führen keine ergotherapeutische Befunderhebung durch - obgleich sie wichtig ist, um Fähigkeiten und Defizite des Patienten zu ermitteln. Aus ihnen lassen sich dann Therapieziele herleiten. Die Befunderhebung ist daher das Herzstück des Ergotherapieberufs.

Diagramm mit UmfrageergebnissenZudem grenzt sie die Ergotherapie von anderen Berufen ab, wie etwa von dem des Altentherapeuten oder Sozialpädagogen. Diese Berufsgruppen führen keine Befunderhebung durch. Bei jeder Ergotherapie-Examensprüfung ist sie hingegen fester Bestandteil. Wer sie nicht beherrscht, fällt durch. Deshalb hat sich die Befunderhebung als wichtiges Qualitätsmerkmal für die ergotherapeutische Behandlung in bestimmten Bereichen wie etwa der Pädiatrie bereits gut etabliert.

Gründe für die mangelnde Durchführung

Warum steckt die Befunderhebung bei Demenzpatienten noch in den Kinderschuhen? Die meisten EbeDe.net-Nutzer arbeiten in stationären Einrichtungen, in denen Ergotherapie häufig noch "Beschäftigungstherapie" oder "Betreuung" heißt. Um einen Patienten zu beschäftigen, bedarf es keiner Befunderhebung. Da der Arbeitgeber sie auch nicht erwartet, verzichten Ergotherapeuten auf eine Durchführung.

Eine Befunderhebung erfordert schließlich Zeit, die meistens rar ist. Egotherapeuten verbringen ihr knappes Zeitbudget lieber mit der Planung von Therapieeinheiten, anstatt Befundbögen auszufüllen. Ein gut geplantes therapeutisches Angebot kann sich des Lobes der Angehörigen oder der Kollegen aus der Pflege sicher sein, während die Mühen einer Befunderhebung eher im Verborgenen bleiben.

Unterschiede zur Diagnostik

Viele Ergotherapeuten bringen die Begriffe "Diagnostik" und "Befunderhebung" durcheinander. Unter Diagnostik fallen Tests, wie etwa der Mini-Mental-Status-Test (MMST) oder der DemTect (Demenz Detection). Solche Tests hat der Demenzkranke bereits durchlaufen, als die Demenz diagnostiziert wurde. Demenztests sind für die ergotherapeutische Behandlung jedoch wenig aussagekräftig, da sie nur die Fähigkeiten im kognitiven Bereich ermitteln. Führt man bei Personen mit einer mittelschweren Demenz einen solchen Test durch, stoßen die Erkrankten schnell an ihre Grenzen und sind frustriert.

Befunderhebung spielerisch durchführen

Bei der Befunderhebung steht das Beobachten und nicht das Testen des Patienten im Vordergrund. Sie kann sich über mehrere Wochen erstrecken und beginnt zu Anfang der Therapie. Sie sollte - genauso wie die Therapie - spielerisch erfolgen, um den Patienten nicht auf seine Defizite aufmerksam zu machen. Der Ergotherapeut wiederholt im Laufe der Therapie die Befunderhebung, um die Fähigkeiten der Person zu evaluieren. Nach der Befunderhebung entscheidet der Therapeut, in welchem Bereich und in welchem Umfang Therapie möglich ist. Durch die Befunderhebung lassen sich auch Rückschlüsse auf das Stadium der Erkrankung ziehen. Deshalb sollte sich jeder Therapeut durch die Befunderhebung ein genaues Bild vom kranken Menschen machen.

Gudrun Schaades kürzlich neu aufgelegtes Standardwerk "Ergotherapie bei Demenzerkrankungen" enthält einen soliden und aussagekräftigen Bogen zur ergotherapeutischen Befunderhebung bei Demenzkranken. Der Ergotherapeut beurteilt durch ein Ankreuzverfahren die Fähigkeiten des Patienten und kann sich dadurch einen umfangreichen Eindruck verschaffen. Die Ankreuztechnik ermöglicht im Gegensatz zur Befragung oder Testung eine verhältnismäßig schnelle Befunderhebung.

Fazit

Spannend bleibt, von welchem Ende her sich die Lage verbessern wird. Erhält die Ergotherapie ihre verdiente Wertschätzung künftig vonseiten der Institutionen, verbunden mit der Einsicht in die Notwendigkeit der Befunderhebung? Oder sind die Ergotherapeuten am Zug und müssen diese Einsicht durch unbeirrtes Anwenden ihrer Verfahren herbeiführen?