Wolke über Landschaft

Welche Übungen lassen sich trotz Demenz erfolgreich umsetzen? Wie bekommt das Gedächtnistraining eine spielerische Note und macht richtig Spaß? Zwölf bewährte Ideen und worauf Du außerdem noch achten solltest - das ist Thema dieses kleinen Leitfadens.

Gedächtnistraining bei Demenz. Bringt das noch was?

Ehrlich gesagt: Es gibt viele Wege sich geistig fit zu halten. Die Forschung hat gezeigt, dass Menschen, die einen aktiven Lebensstil pflegen, die interessiert durchs Leben gehen, Hobbys pflegen und neue Dinge ausprobieren, geistig länger fit bleiben. Ein Gedächtnistraining greift im Idealfall diese Forschungsaspekte auf, integriert gezielte Übungen für unterschiedliche Trainingsziele und orientiert sich an den Bedürfnissen der Teilnehmer.

Bei Menschen mit Demenz ist es besonders wichtig, die Alltagskompetenz so lange wie möglich zu erhalten. Aus diesem Grund sollten sich Übungen für das Gedächtnistraining mit Menschen mit Demenz auch am Alltag der Betroffenen orientieren. Wichtig dabei ist auch, dass man möglichst viele reale Gegenstände in das Gedächtnistraining mit einbaut. Bei der Arbeit mit Menschen mit Demenz im Gedächtnistraining gilt folgende Faustregel: Ein Bild ist besser als ein gesprochenes Wort, ein realer Gegenstand ist besser als ein Bild.

Um die Eingangsfrage zu beantworten: Ja, Gedächtnistraining ist ein Weg (neben anderen Wegen) sich geistig fit zu halten. Auch bei Menschen mit Demenz konnten in Studien noch Lern- und Trainingserfolge nachgewiesen werden. Bei Menschen mit sekundärer Demenz kann Gedächtnistraining ein Element der Rehabilitation sein. Im Zentrum eines Gedächtnistrainings stehen bei Menschen mit degenerativen Demenzerkrankungen der Erhalt der Alltagskompetenz, die soziale Teilhabe und der Spaß!

12 Übungen, die sich mit vielen Menschen mit Demenz noch umsetzen lassen

Welche Übungen sich mit Menschen mit Demenz noch umsetzen lassen, ist sehr individuell und unterschiedlich. Die Biografie und der Erfahrungsschatz des Einzelnen sind von zentraler Bedeutung. Im Zweifel hilft nur Ausprobieren, um die passenden Übungen, Spiele und Inhalte für ein Gedächtnistraining mit der eigenen Zielgruppe zu finden. 12 Übungen mit denen in der praktischen Arbeit mit Menschen mit Demenz oft gute Erfahrungen gemacht werden, möchte ich an dieser Stelle kurz vorstellen.

  1. Assoziationen zu Wolkenbildern. Nimm ein dunkles Stück Papier (am besten ist blaues Papier geeignet) und tupfe mit einem Schwamm oder mit einem Taschentuch fantasievolle Wolkengebilde auf das Papier. Du brauchst so viele Bilder mit „Wolken“ wie Du Teilnehmer im Gedächtnistraining hast. Verteile die Bilder und lass die Teilnehmer assoziieren, was sie in den Wolkenbildern erkennen können (z. B. Tiere oder Ähnliches).

  2. Rückwärts buchstabieren. Bitte die Teilnehmer, ihren Vornamen rückwärts zu buchstabieren. Wenn die Übung zu schwer erscheint, kann auch im Chor (das nimmt den Leistungsdruck vom einzelnen Teilnehmer weg) gemeinsam rückwärts gezählt werden. Oder Du schreibst ein Wort in Großbuchstaben an Tafel oder Flip-Chart und alle buchstabieren gemeinsam rückwärts bzw. lesen die Buchstaben gemeinsam rückwärts ab.

  3. Kreisbilder. Verteile Arbeitsblätter, auf denen ein Kreis abgebildet ist (ein Kreis ist am einfachsten, es funktioniert natürlich auch ein Rechteck, ein Dreieck oder eine andere Form). Bitte die Teilnehmer, das Bild mit einem Stift zu erweitern und einen Gegenstand, der kreisförmig sein kann, zu malen.

  4. Sätze bilden. Gib, je nach Möglichkeit Deiner Teilnehmer, ein, zwei oder drei beliebige Wörter vor und bitte die Teilnehmer, aus den Wörtern einen Satz zu bilden. Beispiel: Bei den vorgegebenen Wörtern Haus und Fenster könnte der Satz „Das Haus hat ein Fenster.“ gebildet werden.

  5. Wörter in Buchstabenketten finden. Je nach Thema Deines Gedächtnistrainings, kannst Du ganz einfach eigene Arbeitsblätter mit Buchstabenketten erstellen und in der Schwierigkeit an deine Gruppe anpassen. Wähle dafür passende Wörter aus und schreibe sie mit einem Textverarbeitungsprogramm in der entsprechenden Größe auf. Verstecke die Wörter dann zwischen wahllos ausgewählten anderen Buchstaben. Beispiel: GJALEOEREMREKHAUSAEKFDASLFSDAFLKRLFENSTERAKDJAFEFI, in dieser Buchstabenkette sind die Wörter Haus und Fenster versteckt.

  6. Zahlenreihen ergänzen. Bereite einfache Zahlenreihen vor und lass die Teilnehmer ergänzen. Zwei Beispiele: 2, 4, 6, 8, 10 (weiter geht es mit 12, 14, 16, 18) oder 3, 6, 9, 12, 15 (weiter geht es mit 18, 21, 24, 27).

  7. Dinge abdecken und erinnern. Lege Gegenstände auf den Tisch und sprich mit den Teilnehmern über die Gegenstände. Verstecke die Gegenstände dann unter einem Tuch und bitte die Teilnehmer aufzuzählen, welche Gegenstände unter dem Tuch sind. Die Schwierigkeit dieser Übung variiert mit der Anzahl der abgedeckten Gegenstände.

  8. Einkauf sortieren. Verteile Lebensmittel aus unterschiedlichen Produktgruppen (Beispiele: Milchprodukte, Obst, Gemüse, Nudeln, Reis) durcheinander auf dem Tisch. Bitte die Teilnehmer, die Produkte zu sortieren. Du kannst die Produktgruppen vorgeben, was die Übung etwas einfacher macht, oder die Teilnehmer selbst Produktgruppen finden lassen.

  9. Stimmt das Sprichwort? Lies verschiedene (evtl. zum Thema passende) Sprichwörter vor und frage die Teilnehmer nach ihren persönlichen Erfahrungen. Stimmt die Aussage des Sprichwortes? Oder eher nicht?

  10. Fühlsäckchen. Nimm kleine Säckchen und fülle kleine Gegenstände hinein. Lass die Teilnehmer den Inhalt der Säckchen ertasten. Tipp: Wenn keine Säckchen vorhanden sind, funktionieren auch saubere Socken, die man mit einem Gummiband verschließt.

  11. ABC-Sammlung. Eine der wohl bekanntesten Übungen im Gedächtnistraining ist das Sammeln von Begriffen mit den Anfangsbuchstaben des ABCs. Diese Übung lässt sich zu fast jedem Thema umsetzen. Beispiel: Affe, Bär, Chamäleon, Dachs, Esel, Fuchs, Gans, Hase, Igel, Jaguar, Kamel, Lama, und, und, und.

  12. Überschriften finden. Nenne Wörter bzw. Begriffe, die sich einer Überschrift bzw. einem Oberbegriff zuordnen lassen. Lass die Teilnehmer eine Überschrift suchen. Es muss nicht immer die Überschrift sein, die du im Kopf hattest, manchmal gibt es mehrere mögliche Lösungen. Beispiel: Hefezopf, Brot, Kuchen, Rosinenschnecke. Überschrift: Gebäck.

Darauf solltest du achten!

Abwechslung: Das A und O eines gelungenen Gedächtnistrainings ist die Abwechslung. Sowohl die Trainingsziele der Übungen, als auch die Schwierigkeitsstufe der Übungen sollten innerhalb eines Gedächtnistrainings variieren.

Entspannung: Gedächtnistraining ist mehr als eine Aneinanderreihung von Übungen. Bei allen Zielgruppen, aber bei Menschen mit Demenz besonders, ist es wichtig, dass man auch Entspannungsmöglichkeiten in das Gedächtnistraining integriert. Entspannung kann zum Beispiel über das Singen eines Liedes, das Erzählen eines Witzes, die Integration einer Fantasiereise oder auch das Hören eines Musikstückes erreicht werden.

Bewegung: Die Kombination von Gedächtnistraining und Bewegungsübungen hat sich als besonders wirkungsvoll herausgestellt. Aus diesem Grund kann auch ein kleiner Sitztanz oder eine kleine Gymnastikübung hervorragend in das Gedächtnistraining integriert werden. Doch auch Übungen, die zum Beispiel Konzentration und Bewegung miteinander kombinieren, sind sehr beliebt. Beispiel: Lies eine Geschichte vor, in der ein Name mehrmals vorkommt. Immer wenn der Name in der Geschichte vorkommt, klatschen die Teilnehmer. Bei einer solchen Übung müssen sich die Teilnehmenden auf der einen Seite konzentrieren um den Einsatz bzw. die Nennung des Namens nicht zu verpassen und müssen sich auf der anderen Seite bewegen bzw. klatschen.

Biografie-Bezug: Bei der Zusammenstellung eines Gedächtnistrainings wird gerne mit Themen gearbeitet. In der Arbeit mit Menschen mit Demenz hat es sich bewährt, wenn sich diese Themen an der Biografie der Teilnehmenden orientieren. Während eine Dame, die ihr ganzes Leben lang Hausfrau war sich vielleicht über ein Thema wie „Einkochen und Haltbarmachen“ freut, lockt man einen ehemaligen Schreiner vielleicht mit einem Thema wie „Holz und Werken“ aus der Reserve.  

Überforderung: Ein Gedächtnistraining sollte Erfolgserlebnisse ermöglichen und nicht frustrieren. Doch auch Unterforderung sollte vermieden werden. Es ist daher wichtig die Übungen im Schwierigkeitsgrad an die eigene Gruppe anzupassen. Niemand kennt deine Teilnehmer so gut wie du! Nutze das Wissen!

Wann ist Gedächtnistraining nicht mehr der richtige Weg?

Gedächtnistraining kann sehr basaler Natur sein und muss nicht nur aus Übungen, Arbeitsblättern und Spielen bestehen. Gedächtnistraining kann auch bedeuten, dass man Orientierungshilfen für die Bewältigung des Alltags schafft. Die Kennzeichnung von verschiedenen Räumen oder die Beschriftung von Schubladen und Schränken kann eine große Hilfe sein. Auch das Üben von Wegen (wie zum Beispiel der Weg vom eigenen Zimmer in den Speiseraum, wenn der Mensch mit Demenz in ein Pflegeheim eingezogen ist) kann Teil eines Gedächtnistrainings sein. Wahrnehmungsübungen, wie das Betrachten von Bildern, das Befühlen von Gegenständen, das Riechen verschiedener Düfte oder ähnliches lassen sich noch sehr lange durchführen.

Unter einem klassischen Gedächtnistraining wird aber meist trotzdem eine Gruppen- oder Einzelstunde mit verschiedenen Übungen, Spielen und ähnlichen Inhalten verstanden. Inwieweit man den Inhalt an Menschen mit einer fortgeschrittenen Demenz anpassen kann, hängt auch von der Zusammensetzung der Gruppe ab. Die Teilnahme macht solange Sinn, wie die Teilnehmer Spaß und Freude erleben. Als Übungsleitung sollte man darauf achten, dass man jedem Teilnehmer innerhalb einer Gruppenstunde Erfolgserlebnisse ermöglicht. Ist dies nicht mehr möglich, ist Gedächtnistraining das falsche Angebot.

Fazit

Gedächtnistraining kann ein schöner Weg sein sich geistig fit zu halten. Bei Menschen mit Demenz kann Gedächtnistraining helfen, die Alltagskompetenz länger zu erhalten, bei Menschen mit sekundären Demenzen sogar ein wichtiger Teil der Rehabilitation sein. Spaß, Freude und Erfolgserlebnisse sollten bei einem Gedächtnistraining (nicht nur bei Menschen mit Demenz) immer im Mittelpunkt stehen.

Empfehlungen für das Gedächtnistraining mit Menschen mit Demenz

Über die Autorin

Natalie MallekNatali Mallek ist Diplom Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin und hat sich in ihrer Laufbahn schon sehr früh auf die Arbeit mit Senioren und Menschen mit Demenz spezialisiert. In ihrer Arbeit als Gedächtnistrainerin des Bundesverbands für Gedächtnistraining, Kursleitung, Dozentin und bei der Arbeit in der offenen und stationären Altenarbeit hat sie umfangreiche, praktische Erfahrungen gesammelt. Ihre Kenntnisse hat sie in dem Studiengang „Alternde Gesellschaften“ an der TU-Dortmund vertieft und dort ihren Master erworben. Im Jahr 2011 hat sie die Internetseite Mal-alt-werden.de ins Leben gerufen und gestaltet diese bis heute als Chefredakteurin und Hauptautorin.