Buchcover Spurenlesen im SprachdschungelWie verändert sich die Sprachfähigkeit bei Menschen mit Demenz? Wie kann die verbale und nonverbale Kommunikation mit den Betroffenen aussehen? Wie lässt sich die Gesprächsführung optimieren, um schwierige Situationen im Alltag zu bewältigen? In ihrem Praxishandbuch gibt Svenja Sachweh darauf wissenschaftlich fundierte Antworten.

Sprachliche Veränderungen verstehen

Kommunikation beschreibt die promovierte Sprachwissenschaftlerin und Kommunikationstrainerin Svenja Sachweh als eine Überlebensnotwendigkeit in unserer Welt. Die verbale Ausdrucksfähigkeit ist bei Menschen mit Demenz zunehmend eingeschränkt und damit auch die Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen. Die Autorin beschreibt, wie es zu Veränderungen der verbalen Kommunikationsfähigkeit kommt und wie Pflegende und Betreuende professionell auf Wortfindungsstörungen, eine abnehmende Verstehensfähigkeit und grammatische Schwierigkeiten reagieren können. Dazu veranschaulicht sie auch die Veränderungen im Gehirn, die für die beschriebenen Phänomene verantwortlich sind. Allerdings spricht sich Svenja Sachweh strikt gegen eine reine Defizitorientierung aus. Vielmehr betont sie immer wieder die erstaunlich kreative Art und Weise, mit der Demenzerkrankte mit ihren Einschränkungen umgehen. Vor allem auf der körpersprachlichen und der emotionalen Ebene haben Menschen mit Demenz besondere Fähigkeiten. Diese Ebenen gewinnen an Bedeutung, je weiter die kognitiven und damit die verbalen Ressourcen verlorengehen. Menschen mit Demenz weisen eine gesteigerte Sensibilität für Mimik, Gestik, Stimmklang, Körperhaltung und Berührungen auf. Auch benutzen sie überwiegend diese körpersprachlichen Ausdrucksmittel um zu verdeutlichen, was sie mit Worten nicht mehr sagen können.

Wertschätzend kommunizieren

Eine wertschätzende Grundhaltung ist die Basis bei jeder Kontaktaufnahme mit einem demenziell erkrankten Menschen. Wir müssen uns aktiv darum bemühen die Welt aus der Perspektive der Betroffenen zu betrachten. Es geht darum, alle Äußerungen des Betroffenen ernst zu nehmen und ihm auf Augenhöhe zu begegnen. In vielen dokumentierten Gesprächsausschnitten verdeutlicht Svenja Sachweh, wie man Fehler im Kontakt mit demenziell erkrankten Menschen vermeiden kann und Gespräche befriedigend gestaltet. So ist es beschämend, Menschen mit Demenz auf ihre Defizite aufmerksam zu machen oder sie zu belehren. Statt über sie zu reden, sollten die Betroffenen stets in alle Unterhaltungen miteinbezogen werden. Eine herablassende Haltung oder Leistungsdruck erzeugen häufig Aggressionen oder Rückzug. Positiv reagieren demenziell erkrankte Menschen dagegen auf Komplimente, ihre Lieblingsthemen und Humor. Auch der Einsatz von biografischem Wissen  ist bei den Gesprächen von zentraler Bedeutung. Die Lebensgeschichte eines Menschen bietet reichlich Gesprächsstoff und hilft, diesen besser zu verstehen.

Schwierige Situationen bewältigen

Ein ganzes Kapitel widmet Svenja Sachweh dem sogenannten herausfordernden Verhalten. Dazu zählt sie ständige Wiederholungen, häufiges Schreien, Aggressionen, Halluzinationen und Herum- oder Weglaufen. Diese Verhaltensweisen können die Kommunikation und den Alltag mit demenziell erkrankten Menschen zusätzlich erschweren. Die Autorin erläutert mögliche Ursachen und zeigt Wege für einen angemessenen Umgang auf. Gründe für Verhaltensauffälligkeiten können Einsamkeit, Angst, Schmerzen, Reizmangel, Stress oder das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Kommunikation sein. Sie rät ihren Lesern, ruhig und geduldig zu bleiben. Die Arbeit mit demenzerkrankten Menschen sei immer eine große Herausforderung und fordere ein hohes Maß an Flexibilität und Toleranz. Wichtig sei es, die Wünsche und Bedürfnisse des Betroffenen zu erfragen und diese ernst zu nehmen. Je mehr die Pflegenden und Betreuenden über Demenz wissen und sich fortbilden, desto mehr Verständnis werden sie für demenziell Erkrankte entwickeln. Es gilt zu akzeptieren, dass herausforderndes Verhalten niemals ganz unterbunden werden kann. In der Regel richtet sich dieses auch gegen niemanden persönlich und die Umwelt sollte möglichst gelassen darauf reagieren. Eine angepasste demenzgerechte Umgebungsgestaltung mit stimulierenden Angeboten könne das Wohlbefinden der Betroffenen steigern. Dazu gehören auch regelmäßige Gesprächs- und Beschäftigungsangebote, die den demenziell Erkrankten Struktur und Sicherheit geben und sie zu verbaler und nonverbaler Kommunikation ermuntern.

Fazit

Das Buch richtet sich an alle, die täglich mit demenzerkrankten Menschen arbeiten. Das Ziel der Autorin ist die Verbesserung von Verstehen und Verständnis zwischen Menschen mit und ohne Demenz. Die vielen praktischen Beispiele und Gesprächsaufzeichnungen bieten die Möglichkeit zur Identifikation. Es werden Situationen beschrieben, die jeder von uns kennt und denen man doch immer wieder hilflos gegenübersteht. Die Autorin zeigt lebensnah auf, wie man Konflikte im Alltag vermeiden und die Gesprächsführung optimieren kann. Das Buch liest sich flüssig und macht Lust, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Sachweh, Svenja (2008): Spurenlesen im Sprachdschungel. Kommunikation und Verständigung mit demenzkranken Menschen. Bern: Verlag Hans Huber. 301 Seiten. ISBN: 978-3-456-84546-3

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