Was bedeutet Musik für demenziell erkrankte Menschen in Pflegeheimen? Wie können Therapeuten dieses Medium nutzen? Wie kann die Kontaktaufnahme in Einzeltherapien und Gruppensituationen gestaltet werden? Diese Fragen beantworten die erfahrenen Musiktherapeuten Dorothea Muthesius, Jan Sonntag, Britta Warme und Martina Falk in ihrem Buch "Musik - Demenz - Begegnung".
Kommunizieren und Fördern mit Musik
Inzwischen belegen zahlreiche Studien und Erfahrungsberichte, dass Musik ein idealer Zugangsweg zur Lebenswelt von Demenzerkrankten sein kann. Musik eignet sich besonders gut zur Aktivierung und Belebung von Ressourcen. Sie wird zu einer wichtigen Ausdrucksmöglichkeit, wenn die Sprachfähigkeit nachlässt. Die Autoren erläutern die neuronalen Grundlagen der Musikwahrnehmung sowie die verbreiteten Konzepte zur Therapie und Betreuung von demenziell Erkrankten in Bezug auf das Medium Musik. Die Leser erfahren, wie wichtig Kenntnisse über die Biografie der Betroffenen sind und wie die Aktivierung des Langzeitgedächtnisses die Identität stärken kann. Zudem zeigen die Autoren auf, welchen Einfluss äußere Faktoren und die alterstypischen Beeinträchtigungen auf die akute Befindlichkeit der Betroffenen haben und wie diese Aspekte Eingang in die Gestaltung der therapeutischen Situation finden können.
Der Einsatz von Musik in der Therapie
Therapeuten begegnen Menschen mit Demenz überwiegend in der stationären Altenpflege und benötigen für die Durchführung ihrer Therapien ein hohes Maß an Flexibilität und Offenheit. Dauer, Zeitpunkt, Ort sowie Inhalt, Struktur und Gruppengröße sollen den individuellen Bedürfnissen und Impulsen der demenziell Erkrankten angepasst werden. Die Autoren gehen auf die Frage nach der Wahl des Therapieraumes ein und diskutieren die Vor- und Nachteile eines offenen Settings. An einem konkreten Beispiel erläutern sie den Aufbau einer Gruppenstunde mit überwiegend mobilen Bewohnern. Dabei analysieren sie einzelne Therapiesequenzen und verschiedene Aspekte wie den Einsatz von Instrumenten und Liederbüchern oder das Einbeziehen von Pflegenden und Angehörigen in die Therapie.
Besonders in der Spätphase der Erkrankung oder während der Sterbebegleitung kann der therapeutische Einsatz von Musik Spezifisches und Wesentliches zu einer würdevollen Betreuung beisteuern. Hierbei betonen die Autoren die Bedeutung des Körperkontaktes und der Wahrnehmung mit allen Sinnen. Im Mittelpunkt aller Ausführungen steht die respektvolle Kontaktaufnahme und Beziehungsgestaltung sowie eine konsequente Orientierung an den Bedürfnissen der Betroffenen. Das Autorenteam setzt sich kritisch mit den Strukturen innerhalb der Einrichtungen auseinander und zeigt gleichzeitig Möglichkeiten zur Kontaktgestaltung im interdisziplinären Team sowie zur professionellen Selbstpflege auf.
Fazit
Anliegen des Buches ist es, den Blickwinkel auf das Phänomen Demenz zu erweitern. Obwohl sich das Werk hauptsächlich an Musiktherapeuten richtet, profitieren auch Ergotherapeuten von der kritischen und fundierten Reflexion des therapeutischen Vorgehens. Musik- und Ergotherapeuten verfolgen mit dem Einsatz von Musik ähnliche Ziele. Neben Problemen und Konfliktpotenzialen heben die Autoren insbesondere die lebendigen, humorvollen und bereichernden Aspekte in der Arbeit mit Demenzerkrankten hervor. Der Praxisbezug zieht sich als roter Faden durch das gesamte Buch. Viele Fallbeispiele und die beiliegende DVD bieten intensive Einblicke in die therapeutische Arbeit und veranschaulichen die Zusammenhänge zwischen Musik, Demenz und Therapie. Therapeuten verschiedener Disziplinen erhalten wertvolle Hinweise, wie sie therapeutische Kontakte mit Hilfe der Musik professionell gestalten können.
Muthesius, Dorothea; Sonntag, Jan; Warme, Britta; Falk, Martina (2010): Musik - Demenz - Begegnung. Musiktherapie für Menschen mit Demenz. Frankfurt am Main: Mabuse-Verlag. ISBN: 978-3940529558. 36,90 Euro.
Über die Rezensentin: Anne Jakobs schloss 2003 erfolgreich ihre Ausbildung zur Ergotherapeutin ab und hat sich auf die Arbeit mit Demenzkranken spezialisiert. Seit 2008 ist sie Teamerin für Integrative Validation und seit letztem Jahr Case-Managerin (Sozial- und Pflegeberaterin). Anne Jakobs arbeitet zurzeit als Ergotherapeutin in einer geschlossenen gerontopsychiatrischen Einrichtung in Lübeck und gibt Seminare zu den Themen Kommunikation und Therapie mit demenziell Erkrankten.
Die Autoren erläutern die neuronalen Grundlagen der Musikwahrnehmung sowie die verbreiteten Konzepte zur Therapie und Betreuung von dementiell Erkrankten in Bezug auf das Medium Musik.